Eurobike 2024 Recap Teil 1
Es ist gefühlt noch nicht lange her, aber hier sind wir wieder: Ich bin dieses Jahr wieder auf der Eurobike unterwegs. Diesmal habe ich mir drei volle Tage gegönnt, anstatt nur einen wie letztes Mal, um wirklich alles aufnehmen zu können und auch mit den Ausstellern über ihre Produkte zu sprechen. Und das hat sich richtig gelohnt, also legen wir los.
Fahrräder sind einfach cool. Zwar ist nicht alles auf der Messe nach meinem Geschmack, aber generell ist es inspirierend zu sehen, wie jeder das Fahrrad und seine Funktionen sowie die nötigen Accessoires anders interpretiert. Dadurch entstehen wirklich die wildesten Räder und Produkte. Mein Plan für die Eurobike war, am ersten Tag zunächst alles abzulaufen, um einen groben Überblick zu bekommen, wer und was vor Ort ist. Zwar gibt es im Vorfeld eine Ausstellerliste, aber da stehen so viele Namen drauf, dass ich zumindest keinen Überblick gewinnen konnte. Den zweiten Tag (also heute) wollte ich dann mit gezielten Gesprächen an den Ständen verbringen, die ich am ersten Tag gefunden habe. Freitag wird dann (hoffentlich) der Tag, an dem ich draußen im Außenbereich ordentlich Räder über das Testgelände fahren kann.
Ich habe wie letztes Jahr in Halle 9 begonnen. Hier ist nicht nur der Parkplatz für die Presse, sondern auch die Halle, die für die Besucher, welche am Samstag und Sonntag zur Messe kommen, geschlossen ist. Hier stellen mehrheitlich Hersteller aus China und Taiwan viele OEM (Original Equipment Manufacturer) Artikel vor. Diese landen dann oft unter anderen Namen an vielen Fahrrädern, die in Serienproduktion gehen. Gleichzeitig ist das auch die Chance, viele Dinge und Hersteller zu sehen, die groß auf Aliexpress vertreten sind (Towild, Moonshine, Sensah, etc.). Was mir hier dieses Jahr aufgefallen ist, ist, dass die Hersteller, die letztes Jahr viele interessante Produkte dabei hatten (wie z.B. LTWOO mit ihrer elektronischen Schaltung oder Ora Engineering, die schöne Titanrahmen herstellen, die auch viel in Deutschland unter anderem Namen verkauft werden), alle nicht mehr da waren. Diese Hersteller sind alle in die größeren Hallen zu den “normalen” Ausstellern gewechselt, was schon für das deutliche Interesse an diesen Produkten spricht. Ansonsten war Halle 9 nicht unbedingt extrem spannend. Ich konnte ein paar sinnvolle Neuerungen sehen, wie z.B. die neue Bitex-Gravel-Nabe (ich fahre den Vorgänger aktuell an meinem Allroadbike), aber ansonsten gab es hier nur E-Bikes, E-Bikes und noch mehr E-Bikes – in allen Formen, Farben und neu in 2024 auch Formfaktoren. Ich bin an mehreren Bikes vorbeigelaufen, bei denen ich nochmals kurz umdrehen musste, um zu sehen, dass hier Motoren versteckt werden. Generell schlagen zu dem Thema E-Bikes zwei Herzen in meiner Brust. Wenn ein E-Bike ein Auto ersetzt, finde ich das super, aber muss wirklich jedes Fahrrad auf Teufel komm raus mit einem Motor versehen werden? Ich finde nicht. Das Fahrrad ist in seiner Basis-Version eine sehr gut funktionierende Erfindung und hält dabei auch noch fit. Meiner Meinung nach wird hier ein Bedarfsmarkt erschaffen, den es nicht geben sollte, zumindest nicht in dieser Größenordnung. Aber na gut. Die Marke Trigon habe ich wiedergefunden. Nachdem diese bereits letztes Jahr schöne Carbonräder und speziell gespeichte Laufräder dabei hatten, gab es auch dieses Jahr wieder ein paar schön abgestimmte Räder. Optisch gefällt mir das Ganze sehr gut, bis man den Preis sieht. Da hat man eher das Gefühl, man ist auf der Pinarello-Homepage, aber es scheint einen Absatzmarkt zu geben, denn der Stand ist deutlich in seiner Größe gewachsen. Berk Composites war komischerweise auch dort zu finden. Ich sage komisch, weil die Hersteller schöner und ultraleichter Carbonsättel ihren Sitz in der EU haben. Die Sättel sind interessant und meistens unter 100g (!!!!), was große Gewichtsersparnis bedeuten kann, wenn einem der Sattel passt. Ich werde mal probieren, hier an ein Testmodell zu kommen, ein Sattel rein aus Carbon klingt interessant.
Weiter ging es danach für mich in die Hallen 11 und 12. Diese werden auch später für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Hier sind also die großen Player vertreten, aber auch hin und wieder kleinere Hersteller. Ich bin am ersten Tag etwas müde durchgesprintet (da ich am Mittwoch ab 4:00 Uhr Richtung Frankfurt angereist bin), aber generell habe ich in diesen Hallen die letzten 1,5 Tage verbracht und doch mit sehr vielen Ausstellern sprechen können. Unter diesem Text folgen jetzt eher kleine Textabschnitte. Es wird eventuell noch einen Teil 2 geben, wenn es zu viele Bilder und Texte werden. In dem Fall rutscht das Fazit dann in diesen Teil.
Fangen wir mal mit den News an, die ich interessant fand.
Ein E-Bike-Motor von DJI?
Interessant, mit einem E-Bike-Thema zu beginnen, nachdem ich das Ganze oben etwas verurteilt habe, aber die News kamen aus dem Nichts und das hat mein Gehirn erstmal kurz zum Stillstand gebracht, als mir das Ganze vorgestellt wurde. DJI kennt jeder mittlerweile durch ihre Drohnen oder Actionkameras. Wie kommt man da zu E-Bikes? In Drohnen und Actionkameras steckt sehr viel Akku- und Motortechnik und da haben sich die Ingenieure bei DJI gedacht, mit ihrem Wissen können sie auch in diesem Markt einen Mehrwert bieten. Zusammen mit einem neuen MTB-Hersteller haben sie dann einen komplett neuen Motor entwickelt. Ich möchte euch nichts vormachen, ich habe keine Ahnung von E-Bike-Technik und deren Kennwerten, daher müssen die Bilder für sich selbst sprechen. Gut integriert sah es auf jeden Fall aus und wenn der Motor eine ähnliche Qualität hat wie der Rest, den sie herstellen, haben wir einen neuen Player auf dem E-Bike-Markt. Mehr Konkurrenz ist hoffentlich gut für den Markt?! Anbei mal noch die Kennwerte des Motors weil danach oft gefragt wurde: 105 nM & ein 800 Wh. Dafür ist das ganze doch relativ klein gehalten.
Von der verbotenen Halle auf die Hauptbühne: LTWOO
Wie bereits oben gesagt, war der Hersteller LTWOO letztes Jahr noch in Halle 9, die für die Messebesucher nicht zugänglich war. Aber das letzte Jahr war relativ groß für den Antriebshersteller aus China. Im Internet und vor allem auf YouTube konnte man viel über ihre drahtlose Schaltgruppe (à la SRAM eTap) hören. Nicht nur positives, aber schlechtes Marketing ist immer noch Marketing. Die Gruppe gibt es als 2x12 Road und 1x12 Gravel-Version. Sie konnte auch getestet werden und das hat gar nicht so schlecht funktioniert. Ganz sauber oder leise waren die Schaltvorgänge zwar nicht, geschaltet hat sie aber immer. Ich bleibe gespannt. Würde ich mir das im Moment selber an mein Rad schrauben? Nein, dafür ist es mir wahrscheinlich noch zu unreif, aber in 1-2 Jahren könnte LTWOO den ganzen Markt gewaltig aufmischen.
Schwalbes neue Revolution oder doch eher Evolution?
Unser liebster Reifenhersteller hat etwas vorgestellt, wo ich mir noch nicht sicher bin, ob es sich durchsetzen wird. Und zwar ein neues Ventil. Wow, unglaubliche News. Ja, eigentlich doch! Neue Ventile oder Versuche, Presta- oder auch Tubelessventile generell zu verbessern, gab es in der Vergangenheit und auch auf dieser Eurobike viele (Muc-Off, Stans). Was zeichnet das neue Click-Ventil von Schwalbe aus? Dass es kinderleicht zu bedienen ist, wirklich. Das Wort “kinderleicht” habe ich auch bewusst gewählt, da das auch die Motivation für die Entwicklung war. Ventile sollen einfacher zu bedienen sein. Interessant ist, dass sich Schwalbe auch wirklich Gedanken gemacht hat. Das Ventil kann auf bestehende Prestaventile geschraubt werden und auch mit “alten” Pumpen aufgepumpt werden. In der Theorie spricht also nichts dagegen, sich so ein Ventil zuzulegen. Der Vorteil? Wirklich kinderleichtes Aufpumpen. Der Nachteil? Tubelessmilch geht hier meines aktuellen Wissensstands nicht durch, diese muss also davor direkt in den Mantel (was meiner Meinung nach sowieso die sauberere Lösung für das Ganze ist). Ich bin gespannt und werde mir das Ventil auf jeden Fall mal zulegen und schauen, wie es sich benutzen lässt. Schwalbe hat aber noch mehr angekündigt. Reiseradler aufgepasst: Der perfekte Reifen für die Weltreise (natürlich der Marathon Mondial) wurde laut Schwalbe nochmals verbessert. Er hat ein etwas anderes Profil und soll noch besser, leichter, pannenfester … Ihr wisst schon, wie es weitergeht. Daniel Großhans fährt diesen im Moment um die Welt und scheint zufrieden zu sein, also bin ich es auch. Ich werde diesen meinem Bruder für seine Europa/Afrika-Reise ohne Bedenken einbauen, vielleicht gibt es dann auch einen Testbericht dazu.
Ein seltener Luchs aus Tübingen lässt noch auf sich warten - der neue SON Ladelux
Der SON Ladelux ist eigentlich schon wieder kalter Kaffee, oder? Bereits letztes Jahr war er auf der Eurobike zu sehen und für meine laienhaften Augen sah er genau gleich aus wie heute. Nach einem ausgiebigen Gespräch mit SON ist mir aber auch klar geworden, warum ihre Produkte so gut sind, aber dafür auch lange in der Entwicklung bleiben. Der Ladelux wird nicht zum Verkauf stehen, bis er ihren eigenen Standards genügt, und das ist auch gut so. Lieber kommt etwas später auf den Markt, dann aber richtig. “Ebbes gscheits” (wie wir Schwaben sagen) braucht eben Zeit. Es ist angedacht, dass der Ladelux noch dieses Jahr zu deutschen Fachhändlern kommt. Das Licht wird einen kleinen internen Akku, Fernlicht und die Möglichkeit bieten, alles zu laden, was einen USB- oder Lightning-Stecker hat und zwar schneller als alles, was im Moment auf dem Markt ist. Wer das K-lite System kennt, sollte aufpassen: Der Ladelux könnte zumindest in der Ladefunktion einen deutlichen Vorteil haben. Ich bin gespannt und werde meinen Namen beim “sprechenden Hut” (die SON-E-Mail-Kontaktadresse) ins Feuer werfen und hoffe, ich darf diesen bereits etwas früher testen. Fast vergessen, Son hat auch einen neuen Nabendynamo heraus gebracht. Dieser kann mit Textilspeichen versehen werden und ist als Straightpullnabe ausgelegt.
Für heute machen wir hier Schluss.
Am Sonntag spätestens gibt es dann hier den Teil 2. Hier gehe ich auf viele kleinere Aussteller ein (die aber deswegen nicht weniger interessant sind) und auch auf die Testfahrten, die ich morgen machen werde.
Als kleines Fazit der Tage 1 und 2:
Es gibt richtig viel zu sehen auf der diesjährigen Eurobike. Wenn ihr wie ich Interesse an Rädern und deren Technik habt, schaut, dass ihr hier mal herkommt. Es ist wie das Paradies und die Hölle gleichzeitig. Es gibt richtig viele tolle Sachen zu entdecken und viele gute Gespräche mit Gleichgesinnten zu führen, gleichzeitig gibt es auch einen Haufen Kitsch, Kruscht und unnützes Zeug. Aber alles in allem ist es schön zu sehen, dass es beim Fahrradfahren nicht langweilig bleibt und es noch viel Herzblut in der Branche gibt.
Mit diesen Worten verabschiede ich mich für heute!